GALFIONE MARÍA VERÓNICA
Capítulos de libros
Título:
Die Philosophie als Prosa
Autor/es:
GALFIONE, MARÍA VERÓNICA; KALTËRINA LATIFI
Libro:
Serapion. Zweijahresschrift für europäische Romantik
Editorial:
Universitätverlag Heidelberg
Referencias:
Año: 2020;
Resumen:
Im Gegensatz zu Carl Schmitt, der Friedrich Schlegel zum liberalen Denker par excellence erklärt hat, wird hier der (polemische) Versuch unternommen zu zeigen, dass Schlegel, vor allem mit seiner Konzeption der Polemik, vielmehr darauf abzielt, die neutralisierenden Machinationen des liberalen Denkens bloßzulegen und zu konterkarieren. Schlegels Neubestimmung der Polemik richtete sich zunächst gegen Immanuel Kants Charakterisierung derselben als rein negative, verteidigende Waffe der Kritik, mit der die Ausblendung jeder antagonistischen Dimension für ihn ihren Höhepunkt erreicht hatte. Kants Auffassung der Polemik beschränkt ihren Anwendungsbereich auf die Darstellungsebene und behandelt sie insofern als bloßes Mittel, mit dem nach vorgegebenen Kriterien geurteilt wird. Nach Schlegels Meinung macht es diese Konzeption der Polemik zwar möglich, einen neutralen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen die theoretischen und praktischen Konflikte friedlich zu lösen sind. Aber damit werden auch die Grenzen der richtigen Anwendung der Vernunft über jede Kritik hinweggesetzt, was zu einer Verkürzung der Möglichkeiten der Kritikausübung in der Philosophie führen und überdies gravierende politische Folgen haben kann. Denn durch die Bestimmung der Grenzen der Vernunft wird auch ein Rahmen der Öffentlichkeit etabliert. Es wird nämlich bestimmt, was diskutiert werden darf und wie diskutiert werden muss.Vor diesem Hintergrund stellt sich Schlegels Aufwertung der Polemik nicht als eine harmlose Provokation dar. Sie spiegelt vielmehr die ambivalente Haltung Schlegels gegenüber jener Philosophie wider, die als theoretischer Gipfel seiner Zeit galt. Denn Schlegel sieht Kant nicht nur als den ?Stifter der kritischen Philosophie? an, sondern auch als einen Hypermoralisten, der um der Pflicht willen ?überall auf halbem Wege stehen geblieben? ist. Das bedeutet für Schlegel, dass Kant trotz aller Versuche, sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich ein Gesetz der Freiheit zu erschließen, sich letztlich für das Gesetz entschieden hat. Die Bestimmung der Polemik als konstitutiven Teil der Philosophie ermöglicht es, diesen Widerspruch offenzulegen und dadurch einerseits die Verdinglichung oder Enthistorisierung der Vernunft, die mit der transzendentalen Bestimmung ihrer Schranken einhergeht, zu widerrufen, und andererseits die Einschränkungen der zu bildenden bürgerlichen Öffentlichkeit in Frage zu stellen. Denn: wenn die Bestimmung der Schranken der Vernunft tatsächlich einen Handstreich voraussetzt, wie Schlegel gegen Kant vermutet, dann ist auch das Vorhaben zu verwerfen, aus diesem eingeschränkten Bild unseres Verstandes das Vorbild eines toleranten und vernünftigen Bürgers gewinnen zu wollen.Um auf das oben skizzierte Problem einzugehen, konzentriere ich mich zunächst auf Kants Auffassung der Kritik. Dabei analysiere ich, inwiefern sein juristisches Modell der Philosophie sich in ähnliche Widersprüche verstrickt wie das moderne Recht. Denn in beiden Bereichen wird gefordert, nach Gesetzen zu urteilen, ohne dass klar würde, wie die Entstehung dieser überhaupt möglich ist. Danach gehe ich auf Schlegels Auffassung der Polemik ein. Dabei beschäftige ich mich mit Schlegels Argumenten gegen Kants Ansicht, dass jegliche Überschreitung der Grenzen der Vernunft mit dem Dogmatismus gleichzusetzen sei, und versuche außerdem zu zeigen, inwiefern die Polemik als ein arteigener philosophischer Ansatz verstanden werden muss, der sich deutlich von Mystizismus, Skeptizismus und Eklektizismus unterscheidet. Zuletzt befasse ich mich mit den politischen Implikationen der Diskussion über die Rolle der Polemik. Dafür greife ich auf Schlegels Charakteristik Georg Forsters zurück, wo, so meine These, Forsters Auffassung der Polemik vor dem Hintergrund einer impliziten Theorie der Öffentlichkeit dargestellt wird, die von der Widersprüchlichkeit derselben ausgeht und insofern die negative und zugleich wesentliche Rolle der Kritik betont.